Nachhaltigkeit im Einzelhandel – Empfehlenswert oder überflüssig?

Nachhaltigkeit ist ein immer lauter werdender Begriff unserer Gesellschaft. Sowohl Verbraucher als auch Unternehmer interessieren sich für ein bewussteres Leben und wollen eine intakte Umwelt fördern. Der Wunsch nach Herkunft, Authentizität und Verantwortlichkeit wächst. Damit kann aus Nachhaltigkeit als Marketing-Tool und kurzlebiger Trend die Messlatte für eine verantwortungsvolle Zukunft werden.

(Lesedauer: 7 Minuten)

Warum Nachhaltigkeit im Einzelhandel sinnvoll ist

1.   Die eigene Überzeugung für den Startschuss

Man muss nicht enthaltsam leben, um nachhaltig zu arbeiten. Es ist die eigene Überzeugung, die Kunden glaubwürdig Aktivitäten rund um die Nachhaltigkeit vermitteln, und so deren Vertrauen und Treue erlangen. Auch um langfristige Mitarbeiter zu finden, ist ein positives Firmenbild förderlich.

Es ist also als Unternehmer ratsam, eine ökologische, lebensfreundliche, natürliche und lebendige Betriebslandschaft zu bieten.

2.   Wo ein Bedarf ist, ist auch ein Absatz.

Egal ob Trend oder Grundnahrungsmittel – es liegen gewisse Nachfragen vor, die befriedigt werden sollten, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Vor allem jüngere Generationen legen Wert auf nachhaltigere Produkte und geben dafür auch mehr Geld aus.

3.   Größerer Handlungsspielraum für den Einzelhandel

Mittlerweile gibt es genügend Beschaffungsquellen und Alternativen für die vier Hauptbereiche (Rohstoffe, Produktion, Handel und Recycling) von Märkten, die sich um Nachhaltigkeit kümmern.

4.   Beispiele ziehen mit

Nachhaltige Arbeitsprinzipien eines Unternehmens machen sowohl durch aktives Marketing, als auch durch Mund-Propaganda von sich reden. Positive Beispiele können bei Partnern, Mitarbeitern und Kunden was bewegen – Der Handel als bedeutender Wirtschaftszweig trägt hier eine Verantwortung.

Wo kann der Einzelhandel auf Nachhaltigkeit achten?

Neben der Gesundheitsfürsorge wird auch die soziale Verantwortung für den Einzelhandel immer mehr zur Pflicht, um für Verbraucher attraktiv zu bleiben.

Viele Konsumenten wechseln zu unbekannteren Marken, die als nachhaltiger gelten. Die Branche selbst stellt daher Standards und Kriterien auf, die für die gesamte Handelskette gelten. Für Händler gibt es mehrere Bereiche, in denen sie Einfluss auf Klimawandel, CO2-Neutralität, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit nehmen können:

  • Rohstoffe bzw. Ausgangsstoffe
  • Produktionsverfahren bzw. Anbau- oder Fangmethoden
  • Verpackung, Transport und Vermarktung
  • Entsorgung
  • Gebäude und Geschäftsführung

Alternativen bei Rohstoffen und Produktionsverfahren

Einzelhändler sollten sich immer fragen, wie nachhaltig ihre Produkte sind und welche Alternativen es gäbe. Vor allem bestimmte Kunststoffe stehen immer mehr wegen der Mikroplastik Problematik in der Kritik. Aus dem Grund besinnt man sich wieder auf althergebrachte Materialien: In der Kleiderbranche setzt man vermehrt auf Naturfasern, wie Baumwolle oder Hanf; Möbelfirmen greifen verstärkt auf Echtholz zurück; die Verpackungsindustrie entdeckt Pappe und Kartons „neu“.
Jedoch bewirkt das alternative Produkt nur wenig, wenn das Herstellverfahren die Ressourcen nicht schont. Beispielsweise Produktionsweisen, die enorme Wassermengen verbrauchen, für die riesige Naturflächen gerodet werden müssen, die Mengen an Energiekosten verursachen oder die hohe CO2-Mengen freisetzen, sind bedenklich.
Doch es gibt Anbaumethoden und Produktionsverfahren, die bewusster mit der Umwelt umgehen und für die nachprüfbare Standards bestehen. Für Baumwolle gibt es beispielsweise ein Zertifikat für nachhaltigen Anbau und auch für Papier und Kartons gibt es zwei bei uns verbreitete.
Ähnliche Kriterien gelten auch für die Nutztierhaltung und den Fischfang.

Nachhaltigkeit ist mehr als umweltfreundlich

Es geht bei Nachhaltigkeit nicht nur um die Ressourcen der Natur und die Qualität des Produkts – auch wir Menschen sind mit einbezogen: Sicherheit bei der Arbeit, eine faire Entlohnung, die soziale Unbedenklichkeit seiner Wohn- und Arbeitsbedingungen, die Versorgung der Kinder und die Gesundheitsfürsorge stehen ebenso im Fokus. Immer mehr Prozesse werden als Ganzes betrachtet und auf sichere und faire Bedingungen für alle Beteiligten ausgelegt, die transparent und somit jederzeit nachvollziehbar sind.
Im Nachhaltigkeitsdreieck gehen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte Hand in Hand.

Das kann der Einzelhändler tun:

Im Ein-, Verkauf und Transport:

  • (nach Möglichkeit) umweltverträglich anliefern: Aktuell laufen Tests mit Lang-Lkws, die den CO2-Verbrauch senken.
  • Lieferungen auf optimierten Routen in energieeffizienten Fahrzeugen.
  • Bevorzugung regionaler Ware, die ohne weite Transportwege auskommt.
  • Einkauf saisonaler Produkte.
  • Ergänzung ökologischer oder Bio-Produkte.
  • Die Ware soll ein Nachhaltigkeitslabel tragen.
  • Handel mit vorrangig chemiefreier Ware.
  • Bedarfsorientiertes Einkaufen.

Bei Verpackung und Recycling:

  • Achten auf umweltfreundliche Verpackungen und Ablehnen von unnötigen Doppelverpackungen. Laut Global Consumer Insights Survey 2019 bevorzugen über 40 Prozent der europäischen Verbraucher Produkte mit weniger Verpackung und vermeiden Plastik, wo möglich. Ein Drittel wählt umweltfreundliche Verpackung.
  • Bestellungen bündeln.
  • Vermeidung von Verbundstoffen.
  • Umverpackung (versuchen zu) vermeiden. Biologische Verpackungen wie Papiertüten oder Stoffbeutel bevorzugen.
  • Verpackungen zurücknehmen.
  • Rücknahmestellen für Batterien, Altgeräte, Papier etc., Holz oder Metallschrott oder Getränkeverpackungen einrichten.
  • Mülltrennung.

Im Betrieb:

  • Wenn möglich – Wasser sparen.
  • Verwendung von Energiesparlampen.
  • Nutzung klimafreundlicher Kühlmittel.
  • Kaufen von umweltfreundlichen Büromöbel, Warenträgern und Regalsystemen.
  • Papierverbrauch senken.
  • Nutzung nachhaltiger Drucker.
  • Post wenn möglich elektronisch und falls nicht vermeidbar klimaneutral versenden.
  • Den Kunden zeigen, wo und wie nachhaltig gearbeitet wird.
  • Kümmern um Kunden und das Wohlergehen von Mitarbeiter.
  • Sicherstellung von geeignetem Licht und passender Temperatur, guter Durchlüftung für beste Arbeitsbedingungen.
  • Handeln bei Schmutz- oder Lärmbeeinträchtigung.
  • Achten auf verträgliche Arbeitsbedingungen – Sicherstellen von Sozialräumen, schaffen sozialer Angebote.

„Grünes“ Bauen im Einzelhandel

Auch bei den Geschäftsräumen kann man für Nachhaltigkeit sorgen: Vielleicht lässt sich ein eigenes Gebäude errichten? Dort sollten dann vornehmlich regionale Handwerker am Schaffen sein, die ausschließlich energetisch hochwertige Materialien verarbeiten.

Setzen auf erneuerbare Energien: Möglicherweise lassen sich Sonnenkollektoren einsetzen, mit Wärmepumpen arbeiten oder ein ausgeklügeltes Energiekonzept mit Wärmerückgewinnung nutzen. Auch das Recyceln von Regen- oder Brauchwasser zur Zweitverwendung ist ratsam. Das Verwenden natürlicher Kältemittel, schränkt den CO2-Bedarf ein. Energieeffizienzmaßnahmen schonen die Umwelt und den Geldbeutel!

Selbst durch eine naturnahe Gestaltung des Außengeländes tut man was Positives: Neben der Freude für die Kunden und Mitarbeiter trägt man zur Biodiversität bei.

Zeigen, wo man nachhaltig arbeitet …

Nicht jeder Kunde weiß, was Nachhaltigkeit ausmacht. Manchmal ist es zudem schwer zu erkennen, ob ein Produkt, dessen Herkunft oder sein Produktionsverfahren nachhaltig sind.
Aus diesem Grund sollte man deutlich zeigen, was im Betrieb in punkto Nachhaltigkeit getan wird. Es ist ratsam den Kunden Informationen an die Hand über Produkte, Zulieferer, Handelsketten zu geben. Man sollte die eigene CSR-Leitlinien sichtbar zeigen.
Es ist also ein aktives Marketing mit den eigenen Nachhaltigkeitsbestrebungen von Nöten.

Die Kunden von Nachhaltigkeit überzeugen!

Es macht einen Unterschied, ob jemand nachhaltig einkaufen möchte oder ob er es auch tatsächlich tut. Außerdem ist interessant, wie konsequent er unter diesem Gesichtspunkt einkauft.

Wie überall gibt es Gruppierungen, bei denen nachhaltiges Bewusstsein und Handeln unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Da treten der konsequente Überzeugte, der nachhaltigkeitsaffine Tester, der zurückhaltende Consumer und der aktionsflexible Gelegenheitskäufer nebeneinander auf. Hier besteht großes Potenzial, Kunden für sich zu gewinnen. Mit geeigneten Marketingmaßnahmen lassen sich neue Kundschaften an Land ziehen!

Janina Zaminer